Krankhausmorde: Die Zeugen schweigen

Beim Verfahren gegen Niels Högel bleibt es sehr schwierig, Konkretes zum damaligen Geschehen zu erfahren. Richter Bührmann ermahnt sowohl Högel als auch mehrere Zeugen immer wieder, sich zu erinnern und entsprechend auszusagen. Erfolg hat er damit nicht. Gab es schon damals, als in Oldenburg der erste Verdacht aufkam, eine Mauer des Schweigens, so hat sich daran nicht viel geändert.

Eine erfahrende Krankenschwester, seinerzeit Mitglied des Betriebsrates, bestätigte das mit ihrer Aussage vor dem Landgericht Oldenburg: „Es war mein Eindruck, dass im Sommer 2002 gemauert wurde. Immer, wenn man bei der Klinikleitung nachgefragt hat, gab es ausweichende Antworten“, erklärte sie.

Am 21. Februar 2009 sagte ferner einer der früheren Kollegen Högels aus Oldenburger Zeiten gut drei lang Stunden vor Gericht aus. Er erinnerte er sich zwar an den drastischen Spitznamen „Sensen-Högel“, machte jedoch wie viele andere Zeugen trotz intensiven Nachhakens sehr häufig auf Erinnerungslücken geltend. Fünf Jahre zuvor hatte er vor der Polizei noch umfangreich ausgesagt und sogar erstaunt gezeigt, dass alles so lange verschwiegen worden sei.

Vier Verfahren wegen Verdachts auf Meineid eingeleitet

Wie andere Zeugen wurde auch er vereidigt. Die Oldenburger Staatsanwaltschaft hat bereits gegen vier Zeugen Verfahren wegen des Verdachts auf Meineid eingeleitet. Prof. Karl H. Beine – er befasst sich seit Jahren mit dem Thema Patiententötungen und beobachtet den Prozess – hält viele der bisherigen Zeugenaussagen für unglaubwürdig.

Man fragt sich, warum die Mauer des Schweigens immer noch besteht. Haben die Mitarbeiter, die mit Högel zu tun hatten, Angst, selbst belangt zu werden und vor Gericht zu kommen? Spielt Scham eine Rolle? Wollen sie nicht wahrhaben, dass sie viel früher klare Worte hätten finden müssen, aber das Wegsehen und Schweigen viel bequemer war?

Bei einem anderen Fall von Klinikmorden bekam ein Krankenpfleger, der gegen eine Kollegin einen gravierenden (und berechtigten) Verdacht geäußert hatte, von seinen Vorgesetzten dies zu hören: „Wissen Sie, wie sehr das dem Haus schaden kann, wenn die Sachen an die Öffentlichkeit kommen, was das für einen Skandal gibt?“
Eckart Roloff

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