In unserem Buch „Geschädigt statt geheilt“ heißt es im Kapitel „In Kliniken und Altenheimen wird gemordet“ auf Seite 162: „Bis heute ist unklar, … weshalb Ärzte ihn (Niels Högel) bei seinen Einsätzen und Kompetenzüberschreitungen so lange gewähren ließen“. Diese Frage ist immer noch nicht beantwortet. Nun aber kann sich das ändern. Am 26. September 2019 hat nämlich die Staatsanwaltschaft Oldenburg mehrere frühere Vorgesetzte des Krankenpflegers Högel angeklagt. Darunter ist auch Rudolf Mintrop, heute Geschäftsführer des Dortmunder Klinikums.
Es gabe klare Hinweise
Die Anklage wirft Mintrop Totschlag in 63 Fällen durch Unterlassen vor. Er war viele Jahre lang Geschäftsführer sowohl des Krankenhauses in Oldenburg als auch des in Delmenhorst. Dort war auch Högel tätig, der im Juni 2019 wegen Mordes in 85 Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Mintrop war dessen oberster Vorgesetzter. Zusammen mit ihm sind vier ehemalige Vorgesetzte Högels angeklagt. Ihnen wirft die Anklageschrift vor, trotz klarer Hinweise den Krankenpfleger nicht bei seinen Einsätzen aufgehalten haben, durch die so viele Patienten zu Tode kamen. Högel hatte ihnen überdosierte Mittel gegeben, die zu Herzstillstand führten. Danach versuchte er, sie wiederzubeleben; so wollte er als besonders erfolgreicher Retter erscheinen. Die beträchtliche Menge seiner Einsätze, noch dazu mit tödlichem Ausgang, hätte jedoch anderen Pflegern ebenso wie Ärzten und auch der Geschäftsführung längst auffallen müssen.
Högel geht in Revison vor dem BGH
Unabhängig davon hält Högel an einer Revision vor dem Bundesgerichtshof fest, wie seine Anwältin Kirsten Hüfken bestätigte. Gegen welche Teile des Urteils sich die Revision richtet, sagte sie nicht. Högel hatte zu zahlreichen seiner Taten Geständnisse abgelegt; an manche Vorfälle konnte er sich nicht mehr genau erinnern. Es ist noch offen, wie lange das Revisionsverfahren dauern wird. Davon kann abhängen, wann das Verfahren gegen die früheren Mitarbeiter beginnt.
Eckart Roloff