Lichtblick für die Duogynon-Opfer

Contergan – es wird wohl kaum jemanden geben, der nicht weiß, worauf dieses Wort deutet. Doch wie ist das mit Duogynon? Das steht ebenfalls für ein Medikament, das in Zusammenhang mit schweren Schäden gebracht wird. Das zweite Kapitel unseres Buches „Geschädigt statt geheilt“ handelt von Contergan, das dritte von dem anderen Mittel. Überschrieben ist es mit „Duogynon – nochmals Contergan, aber fast geheim?“.

Dabei geht es  um ein hormonelles Kombinationspräparat, das der Pharmakonzern Schering von 1950/1951 nach – aus heutiger Sicht  unzureichenden Studien –  auf den westdeutschen Markt brachte, einerseits zur Verhütung, aber auch zur Feststellung einer Schwangerschaft und bei klimakterischen Beschwerden. Nach 1966 zeigte sich in Großbritannien, dass die Kinder der Mütter, die das Mittel genommen hatten, auffallend oft Fehlbildungen hatten. Dort wird das Thema seit Jahren wissenschaftlich und politisch näher betrachtet.

Für Deutschland warnte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft 1975 Schwangere vor Tests, doch das Bundesgesundheitsamt billigte die Verschreibungen weiter. Erst 1980 verzichtete Schering (das 2006 von der Bayer AG übernommen wurde) auf die Zulassung. Seit Jahrzehnten kämpfen die Betroffenen darum,  dass sie angehört und dass ihre Schäden ernstgenommen werden; es gab dazu bereits einige Gerichtsverfahren.

Die Medien interessierten sich jedoch kaum für das Thema, ebenso wenig die Politiker. Dabei haben sich  bisher 517 Personen als vermutlich Geschädigte beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn gemeldet, und 632 unter www.duogynonopfer.de beim Verband der Betroffenen

Jetzt endlich ist ein Fortschritt zu melden, wie dieser Verband, das „Netzwerk Duogynon“, schreibt: „Ende September 2020  fand in Berlin eine Sitzung des Gesundheitsausschusses statt. Minister Spahn hat nun ein Forschungsprojekt zu Duogynon initiiert.“ Es gehe darum, „eine vernünftige und objektive Sachverhaltsaufklärung sicherzustellen“. Zudem“ sollen die Beziehungen zwischen Aufsichtsbehörde und pharmazeutischen Unternehmen untersucht werden“. Geplant ist, Ergebnisse bis 2021 vorzulegen. Wieweit Betroffene einbezogen werden,  ist leider noch offen.

Der Verband teilt mit, dass auf dessen Schereiben an 170 Bundestagsabgeordnete ihm viele antworteten und Unterstützung zusagten, sogar fraktionsübergreifend. Nicht  nur der Vorsitzende Andre Sommer hofft, dass die Untersuchung  rasch abgeschlossen wird. „Am Ende“, so Sommer, „muss eine Anerkennung und Entschuldigung stehen. Zudem muss es zu Entschädigungen kommen.“

Das Büro der SPD-Abgeordneten Martina Stamm-Fibich teilte der „Deutschen Apotheker-Zeitung“ mit, dass das Bundesgesundheitsministerium zwar in einem ersten Schritt vor allem die Verbindungen zwischen der Schering AG und dem BGA untersuchen wolle. Aber das Thema Entschädigungsfonds stehe weiter im Raum. „Wenn bei diesem ersten Schritt festgestellt wird, dass es hier zu behördlichem Versagen kam, dann ist die Schaffung eines staatlichen Entschädigungsfonds die logische Schlussfolgerung und dringend notwendig“, so ein Mitarbeiter Stamm-Fibichs. Bei Contergan kam es nach zähem Ringen zu Aufklärung und Entschädigungen. Das sollte auch hier endlich folgen.

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